Jugendblasorchester wird 45 – und hat keine Midlife-Crisis

Grimmaer begehen Geburtstag mit einem Sonderkonzert am 9. September / Rund 30 Auftritte im Jahr


Grimma. Wenn er an die Reisen nach Brasilien oder Südafrika denkt, bekommt Reiner Rahmlow leuchtende Augen. Die Konzerte in Übersee mit seinem Jugendblasorchester (JBO) Grimma haften ihm tief im Gedächtnis. Grimmas Stadtmusikdirektor hat wunderschöne, aber auch unruhige und anstrengende Zeiten mit dem Orchester erlebt, das im September seinen 45. Geburtstag und damit ein kleines Jubiläum feiert. Zum Anlass wird am 9. September im Soziokulturellen Zentrum ein Konzert mit einem Querschnitt durch das 200 Titel umfassende Repertoire des Klangkörpers geboten.
Vom ersten Ton an ist Reiner Rahmlow Teil des Jugendblasorchesters. „Es ist mein ganzer Lebensinhalt“, sagt der 57-Jährige. Als das Orchester im September 1972 aus einem Fanfarenzug heraus aus der Taufe gehoben wurde, saß er als 13-jähriger Trompeter bereits zwischen den jungen Musikern. Schon Mitte der 1980er-Jahre wurde er organisatorischer Leiter und Nachwuchsausbilder, seit dem Wendejahr 1989 führt er als Orchesterleiter das Ensemble von Erfolg zu Erfolg.
Das Jugendblasorchester Grimma setzt sich zwar aus Amateuren zusammen, wird aber professionell betrieben. Rahmlow und Orchestersekretärin Simone Joppig sind beim gleichnamigen Verein angestellt, managen die Auftritte und alles, was dazu gehört. „Das JBO ist ein richtiges Unternehmen“, betont der Dirigent. Der Verein betreibt seit 23 Jahren sogar eine eigene Orchesterschule, in der die Musiker für den Klangkörper geformt werden. „Das ist in Sachsen einzigartig“, weiß Rahmlow, ein waschechter Grimmaer ist. Durchschnittlich 60 Schüler erhalten hier Einzelunterricht, eine solide, professionelle Instrumentalausbildung. „So halten wir unser Niveau“, bekräftigt Rahmlow. Die Musikschule, die auf Honorarbasis sechs Lehrer gebunden hat, sei genau genommen eine Abteilung des Orchesters.
Auch das Orchester selbst sucht in Sachsen seinesgleichen. „In der Besetzung sind wir einmalig“, bekräftigt der Chef. Denn das JBO sei viel mehr als ein Blasorchester. 13 Instrumente bedienen die 40 bis 45 jungen Musiker in der großen Besetzung, neben Blas- auch Tasten- und Schlaginstrumente sowie E- und Bassgitarre. Es ist für Rahmlow ein Kraftakt, damit niemals eine Position unbesetzt bleibt. Denn ein Jugendorchester ist von einem ständigen Kommen und Gehen geprägt. Es gibt aber auch einen kleinen Stamm erfahrener Spieler, „das ist wichtig“, sagt der Orchesterleiter.
Die Mitglieder sind zwischen zehn und 22 Jahre alt. Im Schnitt 30 Auftritte legen die Freizeitmusiker hin, vor allem im Leipziger Raum. Sie sind aber bundesweit gefragt und 2017 längst ausgebucht. „Wir planen jetzt schon für 2018“, verdeutlicht Rahmlow: „Erfolg ist eine schöne Sache, aber auch knallharte Arbeit.“ Die letzte Auslandsreise liegt drei Jahre zurück, 2014 das Gastspiel in Estland. „Wir pflegen Kontakt zu Musikschulen und Orchestern in 20 Ländern“, erklärt Rahmlow die regelmäßigen Einladungen zu Gastauftritten. In diesem Jahr und 2018 bleiben die Grimmaer zu Hause. Dann konzentrieren sie sich auf ihr 9. Internationales Musikantentreffen vom 31. August bis 2. September in Grimma.
Die jungen Laienmusiker leisten ein „enormes Pensum“, hebt der Orchesterchef den Hut. Neben den Auftritten ist jeden Freitagabend die Orchesterprobe anberaumt. Außerdem sind Register- und Nachwuchsproben sowie Instrumentalunterricht zu bewältigen. „Wer in unserem Orchester anfängt, pflegt ein anspruchsvolles und intensives Hobby“, gibt Rahmlow zu verstehen.
Und es würde ohne Zuschüsse nicht existieren. „Es gibt kein Orchester auf der Welt, das sich selbst trägt“, weiß Rahmlow. Die größte Summe steuert der Kulturraum Leipziger Raum bei: jährlich 60 000 Euro. Rund 30 000 Euro fließen aus dem Grimmaer Stadtsäckel an den Orchesterverein, der zudem das Soziokulturelle Zentrum mietfrei nutzen darf. Als Hauptsponsor agiert die Sparkasse Muldental.
Zum Jubiläumskonzert am 9. September ab 18 Uhr lädt das JBO zu einer musikalischen Reise ein – verknüpft mit ein oder anderen Pointe aus 45 Jahren. Etwa 100 Stücke gehören zum Stammrepertoire, am meisten wird laut Rahmlow das Udo-Jürgens-Medley gewünscht. Händels Feuerwerksmusik stimmen die Musiker hingegen nur einmal im Jahr an – zum Neujahrskonzert.
Frank Prenzel

 

Leipziger Volkszeitung vom 03.08.2017

Zur Ehrenamtsveranstaltung „Grimma sagt Danke“ zeigte das Jugendblasorchester unter Leitung von Reiner Rahmlow die ganze Bandbreite seines Könnens.

Foto: Frank Schmidt